Hundesport – um jeden Preis?

 

 

Als ich Satch bekam, war zwar klar, dass er beschäftigt werden möchte, Hundesport stand jedoch nie zur Debatte.

Dann kam Marley, zwar schon mit der Absicht ausgesucht, dass er aktiv und agil sein sollte für ein bisschen Agility, aber auch hier einfach just for fun. Von Obedience war da noch gar nicht die Rede.

Der Pudel (eigentlich wird er immer nur „Pudel" genannt * räusper * ) war schon als Welpe aktiv. Ich machte zwar keine speziellen Agiltityübungen mit ihm, aber freies Clickern kennt er schon von Anfang an. Mit gut einem Jahr fingen wir dann mit dem Agilitanfängerkurs an, er war gut dabei, es machte uns Spaß. Irgendwann kam dann natürlich auch der Ehrgeiz und wir wollten auf Turniere gehen.

Also Vorbereitung auf die Begleithundeprüfung, was schon der erste kleine Stolperstein war. Marley war damals noch etwas unsicherer als heute, wenn andere Menschen auf ihn zukamen und er keine Möglichkeit hatte auszuweichen. Auch bestimmte Menschentypen mag er einfach nicht und bei der Begleithundeprüfung gibt es ja beispielsweise die Gruppe, aber auch den „Fahrstuhl“.

Aber gut, wir hatten einen tollen Prüfer mit Hundekenntnis, bestanden die Begleithundeprüfung und noch nicht einmal schlecht. ;-)

 

Doch damit fingen die Probleme erst an.

Im nächsten Jahr wollten wir auf Turniere gehen und ich übte ( unbewusst ) immer mehr Druck auf Marley aus. Wenn etwas nicht lief, dann wurde ich unsicher, er wurde unsicher und ich als ziemlicher Kopfmensch „zerdachte“ unsere Probleme förmlich. Hinzukommt, was ich schon vorher in der Begleithundeprüfung gemerkt hatte, dass Marley sehr auf meine Stimmungen reagiert und stark mit meinen Emotionen verknüpft ist. Sprich: Wenn ich schlecht drauf bin, läuft bei ihm gar nichts. Wo andere Hunde sagen würden, hey, es macht so einen Spaß, deswegen hopse ich über die Hürden, blockiert mein Pudel vollkommen. Irgendwann schaukelte es sich so hoch, dass ich verzweifelt auf dem Platz stand, der Pudel mit hängender Rute neben mir und wir uns in einem Teufelskreis befanden, sodass die Frage erlaubt war: Warum machen wir das überhaupt noch? Soll es nicht Spaß machen? Aber es hat uns doch mal Spaß gemacht, oder?

Also fingen wir wieder von vorne an und übten kleine Sequenzen und gingen Schritt für Schritt mit vielen Belohnungen vor, was ich bis heute versuche beizubehalten. Denn: Belohne ich nicht, und dabei reicht auch durchaus ein ehrlich gemeintes „suuuper gut“, bricht er sofort ein und macht gar nichts mehr. Läuft über den Platz, als ob er geschlagen worden wäre und das mehre Male hinterinander. Es nicht leicht mit einem Hund, der keine Fehler machen will und sofort zusammenbricht, wenn er Fehler macht. Einen Hund, der einerseits total schnell verknüpft, der arbeiten will und Aufgaben schnell versteht, der aber andererseits auf die kleinsten Schwingungen in seiner Umgebung reagiert. Im Alltag, da stört es mich nicht, dort ist er so perfekt, wie ein Hund eben sein kann. Er läuft 99% ohne Leine, ich kann mich auf ihn verlassen.

 

 

Warum also jetzt der Druck im Sport? Warum nicht aufgeben?

Die Fragen habe ich mir auch gestellt, aber es ist nicht meine Art bei so etwas aufzugeben und es hatte ihm ja mal Spaß gemacht und dort wollte ich wieder hin. Wir übten also in kleinen Schritten, parallel ging ich auf Turnier, was man eigentlich niemanden rät. Wir gewannen auch keinen Blumentopf, aber für meinen Pudel war es wichtig die Atmosphäre zu sehen, fremde Menschen und  fremde Plätze zu erleben. Mit noch mehr Trainingsumstellung, neuen Ansätzen, Trainern, Seminaren lief es irgendwann immer besser. Und auch hier kam das Seminar in Oberammergau uns zu gute. Ich weiß eine Szene, die mir so viel gebracht hat, auch wenn sie noch so banal ist. Wir sollten unsere Hunde entspannen und Ute fragte, wie ich meine Hunde entspanne. Ich sagte: „Naja, eigentlich würde ich ihn jetzt auf den Arm nehmen.“ Und sie erwiderte nur: "Na, dann mach das doch. Es ist doch nicht wichtig was andere denken, es ist wichtig, was für deinen Hund das beste ist."

Und ja, sie hat Recht! Lass die anderen doch reden, dass man seinen Hund verhätschelt, verwöhnt, ihn härter rannimmt. Komischerweise lief es von diesem Tag an, mit der Einstellung gleich wesentlich besser und ich fühlte mich wieder wie von einer Last befreit.

Mittlerweile kann ich darüber hinwegsehen, wenn man denkt, ich habe eine Klatsche mit meinem Hund. ICH kenne ihn und weiß, wie er reagiert und was er braucht an Sicherheit und was nicht.

Parallel übten wir mit ihm auch das „Zeigen&Bennen“ an Menschen. Meine Idee, Menschen „Monster“ zu nennen, verwarf ich dann aber doch nach dem ersten Gang durch Oberammergau.

Wieder zu Hause liefen wir die ersten Turniere im neuen Jahr und siehe da: Aufstieg in die A3, die höchste Klasse im Agility in Deutschland.

Im selben Jahr fingen wir dann auch mit Obedience im Verein an. Wobei ich ehrlich gesagt sagen muss, dass ich eh nie glaubte, dass wir mal ein Turnier laufen, gab es doch die Übung „Betasten“ und das mit meinem Pudel?? Das macht der NIE!

Naja, mit Hilfe unserer tollen, motivierten Obediencetrainerin schafften wir es aber doch und wir erhielten wirklich 7,5 Punkte von 10 bei der Übung Betasten. Er hätte an dem Tag die gesamte Prüfung Nuller haben können, diese Punkte bedeuteten mir mehr als ein Vorzüglich oder der erste Platz. Das wir beides mitnahmen, da kann ich gut mit leben. ;-)

Mittlerweile haben wir sogar die Startberechtigung für die Klasse 2 und das Ziel ist iiiiiirgendwann einmal die 3 - so in 2-3 Jahren.

 

Wir sind noch weit entfernt davon spitze zu sein und wir werden wahrscheinlich nie auf irgendeiner Meisterschaft zu sehen sein, egal ob im Obedience oder Agility, aber das ist mir auch gar nicht wichtig. Wichtig ist mir: Mein Hund und ich haben wieder Spaß am Sport und  wir haben für uns persönlich schon sehr viel erreicht. Mit einem Hund, der nicht immer einfach ist, obwohl er ja will. Andere Hunde haben andere Baustellen, wir haben diese. Und daran arbeiten wir auch immer wieder und wieder, denn auch hier heißt es aufpassen, um nicht wieder in diesen Teufelskreis des Drucks und Verweigerns zu kommen. Das bedeutet Arbeit.

Arbeit an und mit dem Pü, aber vor allen Dingen Arbeit an mir. Sich einzugestehen, dass er eben nicht so ist wie der triebgeile Border, der lustige Pudel oder der selbstbewusste Terrier. Trainer zu finden, die erkennen, dass so sensible Hunde selten auf Knopfdruck bereitstehen, und bereit sind, darauf einzugehen.

Er ist, wie er ist und im Alltag war er schon immer mein Seelen - und Wunschhund. Er ist sehr aktiv, neugierig und der beste Kuschelpü der Welt.

Im Sport arbeiten wir noch daran ein perfektes Team zu werden und ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg. Selbst den schweren Beißunfall vom letzten Jahr haben wir gut weggesteckt. Wobei ich oft denke, dass er mir noch mehr in den Knochen steckt als Marley.

Bis jetzt jedenfalls haben wir, für uns, viel erreicht: Mit Spaß, auch ein wenig Stress & Frust, Geduld, Vertrauen und immer mit dem Versuch meinen Pü besser zu verstehen, sein Verhalten nachzuvollziehen und daran zu arbeiten mit dem richtigen Maß, was gar nicht so einfach ist, denn zwischen zu überschwänglich und zu weich sein, ist es ein schmaler Grad. Letztendlich aber vor allen Dingen mit einer guten Bindung und Liebe, auch wenn es kitschig klingt.

Mal schauen, wohin uns dieser Weg noch führt...

 

Was ich mit diesem Artikel sagen will, gebt nicht auf, wenn etwas mal nicht klappt, informiert euch, scheut euch nicht Trainingsgruppen zu wechseln, Methoden zu ändern und ganz einfach auf euren Bauch zu hören, denn meistens hat dieser im Umgang mit unseren Hunden gar nicht mal so unrecht.

Und: Ehrgeiz ist nicht alles, es kann nun mal nicht jeder Hund der Hundesportchampion per se sein, wobei es natürlich einfachere und schwierigere Typen gibt, und ich würde lügen, wenn ich nicht manchmal neidisch auf die anderen Hunde geschaut habe, die einfach und scheinbar völlig unbeschwert über die Hindernisse gehen oder in der Prüfung perfekt Fuß laufen, doch dann schaut man sich seinen Hund an und sieht den Wege, denn man schon gemeinsam gegangen ist, wie weit man gekommen ist und diese Erfahrungen, die garantiert in meinen nächsten (Sport-)Hund mit einfließen, kann mir niemand mehr nehmen und natürlich den besten Pü, trotz all seiner Sensibilität, von Welt auch nicht.

Wichtig sind jedoch eure eigenen, realisitischen Ziele und wenn ihr deutlich mehr erreicht als gedacht: Super, freut euch, denn ihr habt es euch verdient! Und es muss nicht jeder die Freude über die erreichten Ziele verstehen können, denn für andere sind diese gesetzten Ziele mit ihrem Hund eventuell sehr leicht zu erreichen! Ich freue mich beispielsweise total, wenn mein Pudeltier locker in der Obecienceprüfung zwischen den Übungen bellt und sich vor Freude dreht und nicht, wie in der ersten Prüfung, gestresst über den Platz trabt. Das war für mich das schönste Geschenk, mit dem Wissen, dass es auch ganz leicht wieder kippen kann und immer mit dem Merksatz im Nacken:

 

Mit dem Potenzial eines Hundes arbeiten macht mehr Freude als gegen es.
Dr. Ute Blaschke-Berthold



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